Bulletin n. 1/2005
December 2005
CONTENTS
  • Section A) The theory and practise of the federal states and multi-level systems of government
  • Section B) Global governance and international organizations
  • Section C) Regional integration processes
  • Section D) Federalism as a political idea
  • Wrede Martin
    Der Kaiser, das Reich, die deutsche Nation - und ihre "Feinde". Natiogenese, Reichsidee und der "Durchbruch des Politischen" im Jahrhundert nach dem Westfälischen Frieden
    in Historische Zeitschrift , Band 280, Heft 1: Februar 2005 ,  2005
    Nach der Krise des Dreißigjährigen Krieges konnte sich das Alte Reich seit den 1670er Jahren trotz aller fortbestehenden Heterogenität sehr deutlich konsolidieren; getragen wurde diese Konsolidierung von einer Welle des Reichspatriotismus. Nicht allein, aber auch nicht zuletzt ausschlaggebend für beide Momente waren die Auseinandersetzungen mit den verschiedenen Reichsfeinden - Schweden, Türken und Franzosen -, die in jener Zeit zu bestehen waren. Die Reichskriege schufen Reichserfahrung, und sei es solche "aus zweiter Hand", die den Reichsuntertanen durch zahllose Flugschriften vermittelt wurde, sie erzwangen eine "Verdichtung", die Kaiser, Stände und Untertanen beider Konfessionen als Solidar- und Erinnerungsgemeinschaft beisammen hielt. Reich und deutsche Nation definierten sich vor allem durch ihren Gegensatz zu Frankreich wie auch durch die Siege über die Türken. Hier wurden wirksame und politisch nutzbare Feindbilder erzeugt und unterhalten. Der kurbrandenburgische Versuch, auch Schweden zu einem solchen "Feindbild" aufzubauen, schlug demgegenüber fehl, da hier das Machtpotenzial des "Feindes" weithin als zu gering angesehen wurde. Auch diese Auseinandersetzung zeigt indes, dass gerade Amt und Person des Kaisers Bezugspunkt und Kristallisationskern von Patriotismus und Identität der gesamten, multikonfessionellen, "föderalen" Nation darstellte. Mit den unter kaiserlicher Ägide erzielten Teilerfolgen bei Reichsreformen und Reichskriegen war das Modernisierungspotenzial des Reiches jedoch ausgeschöpft. Indem die unmittelbare Bedrohung durch auswärtige Feinde gebannt war, lockerte sich der Zusammenhalt; Rekonfessionalisierung und "Europäisierung" der Reichspolitik ließen neue Konfliktlinien hervortreten, die sich in der dynastischen Krise des habsburgischen Kaiserhauses als nicht mehr überbrückbar erwiesen. Ohne gemeinsame "Feinde" und ohne über territoriale wie konfessionelle Grenzen hinweg internalisierte gemeinsame "Feindbilder" traten Kaiser, Reich und Nation nach 1740 mehr und mehr auseinander.
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